11 Januar 2018

Fahrradmitnahme im ICE: Verpackung ist Pflicht, Tarnung schadet nicht.


Fotos: Dahon, Brompton blog, Yahee

Fahrradkarte kaufen und dann nur noch IC statt ICE* fahren? Einen Aufpreis dafür zahlen, dass man nun auch noch mit dem langsameren Zug fahren muss, nur weil man sein Rad dabei hat?
Mein Stolz ist zu groß, also sinne und trachte ich nach Wegen, mein Rennrad kostenlos im ICE zu befördern.

So viel schon jetzt. Es ist mehr oder weniger problemlos möglich, aber über ein Mindestmaß an Leidensfähigkeit sollte man verfügen, vor allem im Bezug auf große Gepäckstücke. Überdies sollte ein Grundstock an Ausrüstung vorhanden sein, zumindest wenn die Rennradmitnahme halbwegs regelmäßig stattfindet.

Mein erster Rennradtransport (Berlin-Mannheim) war ein Müllsacktransport. In drei bis vier schwarzgraue Müllsäcke gehüllt (die Laufräder gehen extra) und mit Pappe aus dem Supermarkt gepolstert, glichen Rahmen und Anbauteile zwar keinem gebräuchlichen Koffermodell**, verstießen aber auch gegen keine geltenden Mitnahmevorschriften. Wer dann noch am Zugende sein Quartier aufschlägt, kann sein übergroßes Gepäck auch gleich hinter den Einstieg deponieren. Hier steigen nur wenige Passagiere ein und aus, und anders als am Kopf der Zuges, wo der Zugang zum Führerhaus der Lok blockiert würde, steht das Rad hier nicht im Weg.

Angenehmer wird das Verpacken mit einer Radreisetasche. Für 20 Euro habe ich online eine Tasche, riesengroß, erworben. Es ist das Modell "El Bolso" von Dahon in der größtmöglichen Variante. Bolso fasst das komplette Rad — Laufräder sind rechts und links vom Rahmen untergebracht — und lässt sich trotz der beträchtlichen Größe noch immer über die Schulter hängen.

Letzte Woche waren Bolso, Bike und ich im ICE von Hamburg nach Mannheim unterwegs. Bolso ist kein Schutzwunder: das Kettenblatt kann sich durch den Stoff arbeiten, sollte also mit einer Lage dicker Pappe oder festem Schaumstoff daran gehindert werden; ich hatte während der letzten Transporte diesen guten Tipp ignoriert und sah mich blitzenden Aluminiumzähnen gegenüber. Schnell Pappe drunter, alles wieder gut. Zuhause dann alles zunähen. Keine bleibenden Schäden.

Doch zurück zur Zugreise. Kurz vor Mannheim gehe ich an das Kopfende des Wagens, vor die gläsernen Automatiktüren, Multitool in der Hand, setze die Laufräder in den Rahmen, schraube die Campagnolo-Pedale ein, stecke den Vorbau samt Lenker ins Steuerrohr, hebe den Sattel an und checke alles durch. Fahrbereit in fünf Minuten. El Bolso wird zusammengeknüllt und in den 3-Euro-Leichtrucksack von Ikea gestopft.

Eine Schaffnerin kommt vorbei und bleibt abrupt stehen, als hätte sie ihr Timing aus einem Laurel-and-Hardy-Film: "Wo kommt denn das Rad jetzt her?" Ich kläre sie auf. Das Rad sei eingepackt gewesen, ich hätte es eilig und könne deshalb nicht mit dem Wiederzusammenbau warten, stiege aber am nächsten Bahnhof schon aus. Na ja, kam es gnädig zurück, sie habe das Rad ja bei den letzten Bahnhofstopps "überhaupt nicht realisiert", und ihr Sohn habe ja auch ein tolles Rennrad, nicht so "retro" (richtig wäre "vintage", da Baujahr 1985), sondern modern eben, gebraucht für nur 300 Euro gekauft. Ein Ermahnung blieb aus, wohl auch weil die Einfahrt in den Bahnhof Mannheim kurz bevorstand und ich ein wenig auch meinen Charme spielen ließ.

Auch ohne Charme und Verständnis werfen Schaffner ihre fahrradtragenden Fahrgäste nicht aus dem ICE. Verpackung ist Pflicht, Tarnung schadet nicht. Nichts blockieren. Nichts hassen Bahnschaffner mehr als verstellte Durchgänge. Wenn im Großraumwagen eine Zweierreihe leer ist, schiebe ich das Rad dort hinein, mache aber sofort frei, wenn der Zug sich zu sehr füllt.

Morgen bleibt Bolso zuhause, stattdessen reise ich mit "Dimpa" (Ikea, EUR 6) und einer generischen Fahrradtasche des Onlinehändlers Yahee aus Markgröningen, die ich vor Jahresfrist für 7 Euro gekauft habe. Gleich zwei Taschen, das hätte ich mir gerne erspart, aber erstens ist die Bolso in Mannheim, während ich gerade in Hamburg bin, und zweitens bietet sich der Einsatz zweier Taschen beim Peugeot "DA 40 E" geradezu an: es ist ein zerlegbares 20-Zoll-Rad ("Steckrad", nicht Klapprad) aus dem Jahr 1972: das Hinterteil kommt in die blickdichte Fahrradtasche (Bild oben rechts), das Vorderteil in die semitransparenta Dimpa. Passt gut. Weniger schön ist das Gewicht: 12 und 7 Kilo sind zu tragen. Allerdings können die zwei Einzelstücke auch wesentlich besser im ICE verstaut werden als die große Bolso.

* Die neuen ICE 4-Züge, die seit Ende 2017 auf einigen Strecken verkehren, verfügen über Fahrradstellplätze, insofern stimmt es also nicht, dass die Bahn Fahrräder nur in ICs oder langsameren Zügen befördert. Allerdings fallen bei Buchung neun Euro an. 


** Ich kann es mir nicht verkneifen, aber Menschen mit Rollkoffern, vor allem mit den Aluteilen der Fa. Rimowa, sind mir hochgradig suspekt und auf Anhieb unsympathisch. So wie Rimowa (Teil des Luxuskonzerns LVMH) selbst: "Rimowa & aluminium since 1937" wirbt die Firma auf ihrer Website. 1937? Es würde mich nicht wundern, wenn beträchtliche Mengen des Aluminiums für Rimowa-Koffer aus den Hütten kamen, die später auch die Nazi-Kriegsindustrie bedienten.
Siehe: Die Zeit, Nov. 1999

"Hermann Göring braucht Kampfflugzeuge für die Luftwaffe — ohne große Mengen Aluminium ist das nicht zu schaffen. In der Niederlausitz ... arbeitet seit 1918 die Hütte Lautawerk der Vereinigten Aluminium-Werke (VAW), die Nazis machen das Staatsunternehmen zu einem zentralen Rüstungsbetrieb. Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene sichern die Produktion. Sie arbeiten unter unmenschlichen Bedingungen in der Tonerdefabrik, in der Aluminiumhütte und in der Gießerei. ... Die Aluminiumhütte Lautawerk gibt es nicht mehr, aber VAW hat als Privatunternehmen überlebt. Nur: Auf der Liste der Unternehmen, die sich an der Stiftung der deutschen Industrie zur Entschädigung von Zwangsarbeitern beteiligen, sucht man das Kürzel vergeblich. Dabei war die VAW eine der größten Nutznießerinnen der NS-Zwangsarbeit. In Deutschland sowie in den besetzten beziehungsweise angeschlossenen Gebieten betrieb sie acht Aluminiumhütten und Hilfsbetriebe. Von Töging am Inn über Grevenbroich (Niederrhein), Lünen (Westfalen) und Schwandorf in der Oberpfalz bis nach Pettau im heutigen Slowenien kamen an die 20 000 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene bei VAW zum Einsatz."

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