21 Mai 2017

Weshalb Radkritik?

Weshalb also Radkritik?

Weil eine gute Fahrradinfrastruktur für das Radeln mehr leistet als ein tolles neues Rad für Tausende von Euros. Der Spaß kommt nicht vom Rad, sondern wächst aus der Freude, ohne Autobelästigung (Lärm, Abgase, Gefahr, Platzmangel) fahren zu können. Dann ist ein altes Hollandrad ebenso schön wie ein schickes café-racer bike.

Weil jede Großstadt inzwischen drei Fahrradcafés hat, die allesamt ihren Namen nicht verdienen. 

Weil die Industrie das Rad nicht als vernünftiges Verkehrsmittel vermarktet, sondern als Sportgerät oder Zeitgeistvehikel.

Weil die Industrie es schafft, EUR 10 000 für Produkte zu verlangen, die keinen wirklichen Gebrauchswert haben. Selbst 1 000 Euro wären noch zu viel für diese Einweg-Plastikhobel.

Weil es gute und günstige Alternativen zu den aktuellen Industrieangeboten gibt. 

Weil die Städte und Kommunen sich radfreundlich geben, aber viel zu wenig tun, um ihren Worten auch Taten folgen zu lassen. Schlechte Wege für Radler sind die Norm. Innenstädte für Autos sperren? Gute Idee, aber um Himmels Willen, bei uns doch nicht!

Weil in Deutschland zu viele Arbeitsplätze vom Auto abhängen. Weil die Autoindustrie gepäppelt wird, die Radfahren in den Mond gucken. Wann kommt die Abwrackprämie für Fahrräder?

Weil die Übertechnisierung des Fahrrads (Carbon, Scheibenbremsen, elektronische Schaltung, e-Bikes) den Radfahrern Freiheit und Selbstbestimmtheit nimmt. Konnten wir früher selbst reparieren, gelingt uns das heute erst nach dem Wälzen von viel Fachliteratur oder nach dem augapfelschmerzenden Betrachten von wackligen YouTube-Videos. Vom Spezialwerkzeug ganz zu schweigen. Die Elektrifizierung des Rades vergrößert unsere Abhängigkeit, weil es wie ein Auto oder Motorrad dauernd den Fachbetrieb benötigt. Auch e-Bikes sind Teil der Motorisierung und nicht wirklich umweltfreundlich.

Weil wir uns nur schwer den Werbebotschaften entziehen können und Hilfe benötigen. Was brauchen wir wirklich für unsere Mobilität? Wer lange genug Bike Bild liest, glaubt am Ende wirklich, dass er oder sie ein E-Rad haben muss. Oder einen Carbon-Renner auf Tour-Nieveau. Oder ein Gravel-Bike. Nein, muss man nicht. Muss man wirklich nicht. Echt nicht.

Eigentlich sollte man meinen, dass Radfahren eine derart ideale Verbindung von Neigung und Verstand darstellt, dass es keiner weiteren Erklärungen bedarf: Man fährt Rad, weil es vernünftig ist. Es macht Freude, es ist günstig, man kommt gut von A nach B: eine rundum vernünftige Sache, die erst dann ins Lächerliche kippt, wenn Rad und Fahrer sich nach den Bildern der Werbung stylen.

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