
Ich bin in der überaus glücklichen Lage, ohne Einsatz finanzieller Mittel ein Fahrrad der Marke Ghost aus Waldsassen mein Eigen nennen zu dürfen. Es lag wochenlang am Straßenrand, versunken im herbstlichen Matsch einer Stockholmer Vorstadt, bis ich mich erbarmte, es mit nach Hause brachte und unter der Dusche vom gröbsten Dreck befreite.
Inzwischen ist das Rad fahrbereit — ich musste die Laufräder richten, einen Sattel kaufen und allerlei Feineinstellungen vornehmen —, und mir bleibt nun Zeit, eine kleine Recherche zum Hersteller anzustellen. Ghost Bikes, so lese ich, gehört seit 2008 zur niederländischen Accell-Gruppe, produziert aber 70% seiner Räder in Deutschland, zusammengebaut aus asiatischen Teilen, versteht sich.
Ein großer Fan der unübersichtlichen Webseite werde ich nicht werden, aber immerhin findet man dort alles, was man braucht, als Download: Kataloge, Gebrauchsanweisungen, kurioses Deutsch-Englisch und unterbelichtete Fotos von anthrazitfarbigen Rädern: Den Screenshot oben musste ich deutlich aufhellen, ansonsten wäre das Rad (laut Katalog "nightblack/riotgreen") in ein undefinierbares Tiefschwarz getaucht.
Richtig lustig sind dann die Features, mit denen das Ghost Square beworben wird: Tatsächlich gelingt Ghost das Kunststück, etwas, das nicht vorhanden ist, als Feature (Merkmal, Eigenschaft) anzupreisen. Dass das Square Cross 2 keine Schutzbleche und keinen Flaschenhalter hat, gilt bei den Marketing-Leuten als bedeutsamer Vorzug, denn — und hier schlägt die Logik Purzelbäume — das Rad kann ja nachträglich noch mit Schutzblechen und Flaschenhalter ausgestattet werden. Tolles Alleinstellungsmerkmal, oder? Ein Rad, an das man Schutzbleche schrauben kann. Geiles Feature, Alter, ey! Am besten gleich alles weglassen: wheel ready, saddle ready, chain ready. Lässt sich doch alles easy nachrüsten!
Damit diese Dreistigkeit nicht sofort auffällt, verstecken die Waldsassener Werber alles hinter ein paar englischen Vokabeln, die sie wahrscheinlich bei Specialized oder Trek aufgeschnappt haben: Das Bike habe den Vorzug, "bottle holder and mudguard ready" zu sein (vorbereitet zur Montage von Flaschenhalter und Schutzblechen).
Umgekehrt hätte ich deutlich mehr Spaß im nassen schwedischen Herbst: Flaschenhalter und Schutzbleche lassen sich leicht wieder entfernen. Das wäre mal ein echtes Feature. Zumal beide Artikel für Ghost zusammen kaum mehr als 5 Euro kosten würden. Bei einem Rad mit einem Listenpreis von rund 600 Euro durchaus machbar, meine ich.
Im Katalogtext sollte Ghost wieder zur Normalsprache zurückfinden. Gefallen ließe ich mir "fender mounts" oder "mudguard mounts", also Befestigungspunkte (Ösen, Augen) für Schutzblechstreben.
So, wie es jetzt zu lesen ist, fühlt man sich veräppelt. Ein Manko als "Feature" auszugeben, ist einfach nur frech.

Quelle: https://www.ghost-bikes.com/en/bikes/lanes-road/bike/square-cross-2/ [aufgerufen am 27. Oktober 2017]