22 Mai 2017

Die Weisheit liegt im Blick zurück

Die meisten Radzeitschriften sind für mich nur noch aus der zeitlichen Distanz von mindestens fünf Jahren zu ertragen, wenn der Geruch der Werbepostille zwangsläufig verflogen ist, weil die vorgestellten Produkte längst vom Markt verschwunden sind. Dann ist es mir auch egal ist, dass im "Test" (gerne im "Testlabor" durchgeführt) alle nur das Prädikat "gut" oder "sehr gut" erhalten. Nicht schön, wenn der Intellekt der Leser auf Dauer so beleidigt wird.

Wie wenig es bedarf, ein glücklicher Radfahrer zu sein, beweisen die Menschen, die sich alte Räder reparieren. Wenn sie nun noch eine anständige Radwegestruktur vorfänden, wäre Radfahren ein Genuss, auch mit dem ältesten Hobel.

Rennrad von Raleigh aus dem Jahr 1980. Fährt richtig gut. Kostet richtig wenig.

Kleines weltfremdes, aber schönes Gedankenexperiment: man stelle sich eine Stadt vor, in der nicht ein einziges Auto fährt. Dann kommen Radfahrer auch mit einer alten Dreigangschaltung gut, sicher und stressfrei voran: It's not about the bicycle, it's all about making room for bicycles.

Und auf diese Fragestellung antworten Zeitschriften wie Bike Bild leider nur begrenzt, auch wenn sich in der Ausgabe 2/2017 gleich zwei löbliche Artikel zu diesem Thema finden. Im Normalfall ist die Antwort der Fahrradpresse aber diese: Macht einen schönen Ausflug ins Grüne oder kauft euch neues Rad, gerne auch ein Lasten- oder E-Bike, dann ist alles prima. Das entspricht den Versprechungen der Werbung: Greif zu Produkt XYZ, dann riechst du gut, siehst toll aus, alle mögen dich und bleibst/wirst gesund/glücklich. Individueller Konsum statt wahrer Verbesserung.

Die Neuradbesitzerin merkt nach dem Kauf sehr schnell, dass in unseren Städten ein Rad für 3 000 Euro nur marginal besser fährt als ein ordentlich restauriertes für 50 Mückis. Einmal auf dem Kaufrausch erwacht, ist nichts besser geworden. Nur das Geld ist weniger und die Angst vor einem Diebstahl ist größer.

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