21 Januar 2018

Vollpratsche und Strampelnazis

Ist der Mann noch recht bei Trost? Der gequält auf satirisch getrimmte Ton des Artikels von Peter Richter in der Süddeutschen Zeitung Nr.10/2018 (und im Tagesanzeiger) ärgert mich, weil er argumentativ so plump ist, jedoch so tut, als käme er von einem großen Geistesstreiter, beleckt und belesen in allen Künsten. So müssen Malerei, Filmkunst und Literatur dafür herhalten, dass Richter seine Städte offensichtlich laut mag, gerne auch mit reichlich Autoverkehr, der vor allem auch nachts brausen sollte, denn sonst wird es "beklemmend" in der Stadt. Mag sein, dass der ein oder andere Mitmensch die Abwesenheit von Autos als beklemmend empfindet, doch Herr Richter vergisst dabei, dass es durchaus auch Menschen gibt, die in der Stadt wohnen und nachts schlafen möchten, und das geht ohne Autolärm deutlich besser.

Plump nicht nur die Argumente, plump auch die Stilmittel. Rationale Argumentationsansätze, etwa das durchaus vernünftige Fahrradfahren in der Stadt oder die Einrichtung autofreier Zonen, überzeichnet er ins Groteske, um sie so bequem ins Lächerliche ziehen zu können. Dieser literarische Taschenspielertrick funktioniert freilich nur, wenn in der Überzeichnung noch wenigstens ein Funken der kritisierten Realität auszumachen ist. Doch bei Richter gibt es nur frei erfundene Albernheiten, in denen Berliner Fahrradfahrer als "Strampelnazis" auftauchen, die sich zu "Radfahrerschwärmen" zusammenschlössen, wie man sie einst aus "Hanoi oder Saigon" gekannt habe, wohingegen Berliner vietnamesischer Abstammung, so Richter, lieber mit Audi, BMW oder Benz durch die Straßen sausten. Ha, selten so nicht gelacht, toller Vietnamesenwitz.

Weder gibt es in Berlin Fahrradschwärme noch fallen vietnamesische Gastronomen durch teure Autos auf. Selbst der Verweis auf Kästner in den 20er Jahren und dessen Caféhaus-Autobewunderung gerät zum Fehlgriff, denn vor rund hundert Jahren dürften wohl kaum, so wie heute, 1.2 Millionen Pkw die Berliner Straßen belebt haben. (In ganz Deutschland fuhren 1925 keine 100 000 Pkw.)

Kein vernünftiger Mensch würde sich beschweren, wenn Autos plötzlich verschwunden wären. Keiner außer Herrn Richter litte an Beklemmungen. Niemand hat etwas gegen die "Verfußgängerzonung der Großstädte". Autos aus der Stadt zu halten, hat nichts mit der Verkehrspolitik in den "linken Rathäusern von Berlin, Paris und Madrid" zu tun, sondern ist einfach nur vernünftig. Autofahren ist ein Privileg, und es wäre schön, wenn es wieder als solches behandelt würde, mit all seinen wunderbaren Folgen. Deutschland 2025 mit 100 000 Autos, davon maximal 5 000 in Berlin, das wäre eine feine Sache.

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